Die Phileasson-Saga: Die Suche nach dem Largala'hen
Reisebericht des ‚Königs der Meere‘, Hetmann Asleif Phileasson von der Glutströhm-Ottajasko
aufgezeichnet von Mandred, Sohn des Orm Follkerson
Ottaskin der Hetleute, Thorwal
8. Firun 1009 nach Bosparans Fall
Noch immer tobt der eisige Rondrikan über dem winterlichen Thorwal. Unbarmherzig reibt der Nordwind die Schneeflocken über das tief eingeschneite Kliff im Westen der Stadt. Der Hjaldingard-Turm steht einsam über dem Westufer und sendet sein wegweisendes Licht hinaus in die dunkle Nacht. Auch in der Ottaskin der Hetleute flackert der Schein von brennenden Fackeln. Dort stapft gerade ein in zahlreiche Pelze gewandeter Nordmann zurück in die warme Halla des thorwalschen Prunkjolskrims. Es ist der Hetmann der Glutströhm-Ottajasko Asleif Phileasson. Der blonde Kapitän betritt die Große Halla und setzt sich an das Kopfende des großen Eichenholztisches in der Mitte der Halla. Über ein Dutzend weitere Männer sind anwesend und sie alle warten bei Met und flackerndem Feuerschein auf die Fortsetzung des Reiseberichts von Asleif Phileasson. Dieser lässt sich von dem braunhaarigen Diener Jorgen Olgulfson heißen Honigwein nachschenken, nimmt einen vorsichtigen Schluck und lehnt sich dann in seinem Holzstuhl zurück. Kurz lässt er seinen Blick über die Anwesenden wandern, ehe er zu sprechen beginnt:
„Hm, Thorn will wohl heute nicht mehr zurückkommen. Liegt wohl an meinen unbedachten Äußerungen. Na ja, ich werde das später regeln, Mandred. Nun erst einmal zurück zu meiner Saga. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, die Reise nach Andalkan, dort wo sich das Hauptlager des maraskanischen Freibeuters Kodnas Han befand. Die Reise zu dieser Insel weit im Südosten von Maraskan verlief ohne Zwischenfälle und wir erreichten sie bereits nach einem, maximal zwei Tagen. Kodnas Han, der in uns nun wohl Streiter für das freie Maraskan sah, führte uns sogar in sein verborgenes Hauptlager im Dschungel – wir hatten also das Vertrauen des Piraten gewonnen, das Wohl! Wir ließen es uns an diesem Abend noch ein letztes Mal gut gehen ehe wir dann am nächsten Tag mit der ‚Tiger von Tuzak‘ in Richtung der Sargasso-See aufbrachen.
Die Windgeister über dem Perlenmeer waren uns gewogen und so erreichten wir die Sargasso-See bereits zwei Tage später. Kodnas Han traute sich aus Sorge um sein Schiff nicht näher als einige Meilen an das Tangfeld heran – wie wir schon bald feststellen sollten, fürchtete der Maraskaner das Seetangfeld zurecht! Wir wurden mit einem kleinen Einmaster zu Wasser gelassen und ließen die ‚Tiger von Tuzak‘ schon bald hinter uns. Kodnas Han hatte uns zuvor noch einen Signalpfeil gegeben und uns versprochen, die nächsten Tage in der Nähe der Sargasso-See zu kreuzen.
Wir ruderten also durch das immer dichter und undurchdringlicher werdende Gebiet aus Algen, Seetang und toten Meerestieren. Der Verwesungsgeruch wurde immer stärker und schließlich lief unser Boot auf Grund. Der Tang um uns herum war dicht genug um uns zu tragen und so versuchten wir, das Boot wieder freizubekommen. Eine wahrlich schlechte Idee, Mandred! Sofort wurden wir von schleimigen Würmern angesprungen, die mit ihren mit Widerhaken-bewehrten Zähnen hässliche und brennende Wunden hinterließen. Wir konnten dieses Gezücht abwehren, doch währenddessen hatte der grünlich schimmernde Tang unser Schiff noch tiefer in das Tangfeld gezogen! All die Schauergeschichten waren also war, Mandred – der widerliche Seetang zog tatsächlich Schiffe in das Zentrum der Sargasso-See! Das Boot saß also fest und wurde immer weiter von dem Tang überwuchert und so blieb uns nicht anderes übrig, als von Bord zu gehen.
Wenig später wurden wir von riesigen Spinnen und wandelnden Leichnamen angegriffen, doch auch diese Schrecknisse der toten See konnten wir vertreiben. Es dämmerte bereits und so schlugen wir unser Lager notgedrungen inmitten des Tangfelds auf. Die Nacht war kalt und überall stank es nach Tod, an Schlaf war also kaum zu denken. Mir graut es heute noch wenn ich an diesen widerlichen Ort denke, bei Swafnir!“ Asleif Phileasson schüttelt sich vor Ekel, als er sich das Tangfeld wieder ins Gedächtnis ruft. Er nimmt zur Beruhigung einen großen Schluck Met, dann spricht er weiter: „Unser Schiff war am nächsten Tag sogar noch tiefer in das dichte Tangfeld gezogen worden und wir gaben daher auch die letzte Hoffnung auf, den Einmaster je wieder auf die offene See zu bekommen. So blieb uns also nichts anderes übrig, als ins Innere der Sargasso-See vorzudringen. Schon bald stießen wir auf ein recht gut erhaltenes Schiffswrack und gingen vorsichtig an Bord – der Anblick war grauenvoll! Über den Ruderbänken hingen unzählige mannsgroße Spinnenkokons, aus welchen beim Aufschlitzen stinkender Schleim und bleiche Knochen hervorquollen. Nun sahen wir also was jene Spinnen tags zuvor mit uns gemacht hätten wenn wir sie nicht in Stücke gehauen hätten, das Wohl! Tja und dann wurde alles nur noch schlimmer. Ich weiß nicht, welche Schrecknisse du nach dem Untergang der ‚Sturmvogel‘ erlebt hast, Ynu, doch ich kann dir versichern, die Zeit auf dem toten Tangfeld war wie in den Gedärmen Hranngars zu sitzen!
Am Horizont konnten wir dann einige Matrosen erblicken, die sich mit letzter Kraft gegen Tangtentakel und Spinnen zur Wehr setzten. Egal wer dort auch kämpfte, solch einen Tod verdient niemand und so packten wir unsere Waffen und eilten den bedrängten Seeleuten zur Hilfe! Und dann kam die böse Überraschung – die kämpfenden Matrosen waren lediglich eine Illusion und plötzlich fanden wir uns in einem Hinterhalt wieder!“ Asleif Phileasson macht eine kurze Pause und greift nach seinem Trinkhorn. Neugierig schaut er auf den immer größer werdenden Stapel Pergamentseiten, die vor dem jungen Skalden Mandred Ormson liegen. Phileasson stellt sein Trinkhorn zurück auf die hölzerne Tischplatte, blickt grinsend in Richtung des jungen Skalden und spricht weiter: „Das sind ja schon unzählige Seiten, bei Swafnir! So wird meine Saga über die Wettfahrt um ganz Aventurien wahrlich nie vergessen werden, das Wohl! Nun will ich dich aber nicht länger auf die Folter spannen, Mandred. Es waren Beorn und seine Streiter, die für diesen Hinterhalt verantwortlich waren! Allerdings glaube ich, dass der Knilch keine Wahl hatte und schon damals unter dem Zauberbann der Schwarzelfe stand, die sich als die Geweihte Lenya ausgab. Denn von Beorns Mannschaft war seit dem Himmelsturm und später den Drachensteinen niemand mehr übrig außer die falsche Lenya – und diese hatte sich aus den gläsernen Städten unter dem Himmelsturm Verstärkung geholt, fürwahr!
Jedenfalls, auf dem Tangfeld wurden wir sofort von widerlichen, mannsgroßen Hummerwesen angegriffen. Der vordere Bereich dieser Abnormitäten war mit gepanzerten Scheren bestückt, während der hintere Teil nur aus Schleim zu bestehen schien. Diese widerwärtigen Kreaturen stießen also aus der Tiefe des Meeres durch das Tangfeld empor – wobei ihr glibbriger Hinterleib unter der Wasseroberfläche blieb! –, griffen uns mit ihren gewaltigen Scherenhänden an und versuchten uns so unter Wasser zu ziehen! Zeitgleich nahmen uns die schrecklichen Schwarzelfenkrieger Pardonas mit ihren Langbögen ins Visier. Wir hielten dagegen so gut wir konnten, doch der Feind war einfach überall! Die Regeln des Wettkampfes, die unsere gute Garhelt noch vor wenigen Monden in Thorwal aufgestellt hatte, waren vergessen! Ich war mir bereits sicher, dass wir an diesem Tage den Einzug in Swafnirs Hallen finden würden, doch die Runjas hatten unsere Schicksalsfäden bereits verlängert und so überlebten wir. Und die Rettung kam aus einer unerwarteten Richtung: Am Himmel über uns erschienen plötzlich geflügelte, mannsgroße Zwitterwesen! Kopf und Rumpf dieser Kreaturen waren menschlich, doch dort wo die Arme sein sollten wuchsen riesige Fledermausflügel aus den Schulterblättern und hielten die widerwärtigen Viecher in der Luft. Statt Beine hatten diese Wesen menschliche Arme mit krallenbewehrten Händen. Wir sahen uns schon einem weiteren Feind gegenüber als uns auffiel, dass eine dieser Fledermauskreaturen einen dürren Magier in ihren krallenbewehrten Händen trug. Dieser rief uns zu dass er unsere Rettung im Sinn hatte und so fanden wir uns schon Augenblicke später in den Klauen der Fledermauswesen wieder und wurden so dem sicheren Tod entrissen!
Wir flogen also über den Köpfen unserer Feinde davon über das Tangfeld der toten See. Die geflügelten Kreaturen landeten schließlich auf einer recht gut erhaltenen Schivone, die von allen Seiten von wucherndem Seetang umschlungen wurde. Von oben hatten wir gesehen, dass dieses Schiff beileibe nicht das einzige Wrack war, welches sich in den Fängen des schrecklichen Seetangs der Sargasso-See befand. Im Gegenteil, es war ein regelrechter Schiffsfriedhof! Ich schätze es müssen über drei Dutzend Schiffe gewesen sein, die wir dort sahen, und wer weiß, wie viele Schiffwracks noch außerhalb unseres Sichtfeldes warteten!
An Deck der Schivone stellte sich der Magier als Magister Vespertilio vor und erklärte, dass er die Lederschwingen – so nannte er diese widernatürlichen Fledermauskreaturen! – auf magische Weise abgerichtet und so zu unserer Rettung eingesetzt hatte. Er selbst würde bereits seit vielen Jahren hier in der toten See festsitzen. Natürlich waren wir neugierig – aber auch misstrauisch, das Wohl! – und so fragten wir unseren Retter genauer aus. Ich erzähle dir die Geschichte nun so, wie sie Vespertilio uns erzählt hat, Mandred. Aber natürlich log der finstere Geselle bei einigen entscheidenden Punkten, wie wir schon bald rausfinden sollten! Vor vielen Jahren lief jenes Schiff, mit dem Vespertilio auf dem Weg nach Khunchom war, in der toten See auf Grund. Nach und nach fielen immer mehr der Besatzungsmitglieder den Gefahren der Sargasso-See zum Opfer bis schließlich nur noch Vespertilio und sein alter Freund Vermis – ebenfalls ein Magier! – am Leben geblieben waren. Ich glaube bis zu diesem Punkt entsprach sein Bericht größtenteils der Wahrheit. Allerdings traue ich dem üblen Gesellen durchaus zu, damals auch einige der Matrosen für seine finsteren Machenschaften missbraucht zu haben! Jedenfalls, laut Vespertilio wurde sein Freund Vermis schließlich verrückt, bezog eines der zahlreichen Schiffe als neuen Wohnsitz und nahm sich unter den immer wieder neu ankommenden Schiffbrüchigen Sklaven, die er für seine finsteren Experimente missbrauchte. Laut Vespertilio entstanden so auch diese widerlichen Schleimkrabben, die uns erst vor wenigen Stunden angegriffen hatten. Du wirst dich jetzt sicher fragen ob diese Lederschwingen ebenfalls das Werk von Vermis waren, nicht wahr Mandred? Wir konnten später herausfinden, dass für die Erschaffung dieser widernatürlichen Kreaturen Vespertilio und nicht Vermis verantwortlich war – denn schon bald mussten wir erkennen, dass alle beide wahrlich finstere Hranngar-Diener waren, das Wohl! Vespertilio erzählte weiterhin, dass Vermis bereits seit einigen Jahren der wirren Idee nachhängt, einen magischen Kelch auf einem der Wracks zu finden. Dazu ging er einen Pakt mit dem fünfgehörnten Dämon Mactans ein, doch dieser verriet ihn, nahm sich selbst den Kelch und verschanzte sich mit seinen Spinnendienern auf einem Schiff. Seitdem herrscht Krieg zwischen Vermis und dem Dämonen. Natürlich wurden wir bei den letzten Sätzen hellhörig und vermuteten, dass es sich bei jenem Kelch um den Kelch der Orima handeln könnte – und wir sollten Recht behalten! Schließlich berichtete uns Vespertilio von einer weiteren Partei, die erst vor wenigen Tagen in der Sargasso-See eingetroffen ist: Finstere Krieger, angeführt von einem einäugigen Nordmann. Beorn! Vermis und Beorn hatten sich verbündet – das hatten wir ja bereits schmerzlich erfahren müssen, das Wohl! – und planten nun gemeinsam, den Spinnendämon zu vernichten und so den Kelch an sich zu bringen. Als wir Interesse an dem Kelch zeigten, versicherte uns Vespertilio sogleich, dass er selbst diesen Kelch nicht haben will, wohl aber bereit ist, uns gegen Beorn, Vermis und Mactans beizustehen. Eine weitere Lüge, das sollten wir schon bald herausfinden!“ Asleif Phileasson lehnt sich zurück und streckt sich dabei mit einem lauten Gähnen. Dann nimmt er einen weiteren Schluck Honigwein und schaut sich dabei die Runde der anwesenden Nordmänner an. Zu dem jungen Skalden Mandred gewandt spricht er schließlich weiter: „Der Winter beißt dieses Jahr ganz besonders in den Knochen, bei Firun! Ich will dir also noch die Suche nach dem Largala'hen und die folgende Zeit in Khunchom berichten, doch dann zieht es mich an das heimische Herdfeuer, bei Travia!
Wie gesagt, wir trauten diesem Vespertilio nicht über den Weg. Daher schlich sich Wulf ungesehen weg, während wir Übrigen uns weiterhin mit dem Magus unterhielten. Nun, wir sollten Recht behalten, das Wohl! Wulf fand im Unterdeck der Schivone einen Tagebucheintrag von Vespertilio, in welchem die wahren Geschehnisse niedergeschrieben worden waren. So konnten wir herausfinden, dass Vespertilio und Vermis in Wahrheit ganz genau wussten, das es sich bei dem magischen Kelch hier in der Sargasso-See um den Largala'hen, den Kelch der Orima, handelte! Sie hatten in einigen alten Dokumenten herausfinden können, dass der Kelch nach dem Untergang Tie'Shiannas mit einer Elfengaleasse fortgeschafft wurde und diese schließlich in der toten See auf Grund lief. Selbst in der Sargasso-See angekommen gingen sie einen Pakt mit dem fünfgehörnten Mactans ein – also nicht Vermis alleine, sondern auch dieser Lügensack Vespertilio! –, um mit der Hilfe des Dämons den Kelch zu bergen. Dieser erkannte jedoch die große Macht des elfischen Artefakts und nahm den Kelch daher für sich selbst in Anspruch. Tja, und seit diesem Ereignis herrscht in der toten See ein Kleinkrieg zwischen den Dreien – also genau ‚jene drei alten Freunde, die sich nicht trauen‘, welche in der Vision Shayas beschrieben wurden! In dem Tagebuch fanden wir zudem den Beweis, dass Vespertilio für die frevelhafte Erschaffung dieser widerlichen Lederschwingen verantwortlich war – dies also war wohl das Schicksal, das den Sklaven, die Mythornius auf magische Weise im Bauch der Schivone entdeckt hatte, blühte!
Nun waren wir diesem finsteren Gesellen also einen Schritt voraus, bei Swafnir! Wir beschlossen daher, auf das Angebot Vespertilios einzugehen und seine Hilfe bei der Beschaffung des Kelchs in Anspruch zu nehmen – natürlich behielten wir ihn dabei ganz genau im Auge! Tja und am nächsten Tag ging der ganze Spaß los …
Da uns – nicht ohne Grund! – ein Angriff auf das Schiff des Mactans über das Seetangfeld als zu gefährlich erschien, beschlossen wir, mit Hilfe der Lederschwingen das Schiffsdeck aus der Luft aus anzufliegen. Nun, gesagt, getan. Das Dämonenschiff war wahrlich furchteinflößend anzuschauen, denn das ganze Deck war bis hoch zu den Masten mit unzähligen Spinnennetzen eingewoben. Vereinzelt konnten wir sogar einige dieser kalbsgroßen Viecher auf dem Schiff herumlaufen sehen, widerlich! An Heimlichkeit war nicht wirklich zu denken und so landeten wir auf dem Deck des Schiffes und hackten uns unseren Weg in den Bauch des Schiffes frei, denn laut Vespertilio hatte Mactans dort sein Nest. Leider hatten Beorn und Vermis eine ähnliche Idee, denn sie versuchten, das Schiff aus dem Wasser zu erreichen. Ich bin mir nicht ganz sicher wie genau sie das eigentlich gemacht haben, aber ich glaube, dass sie mit Hilfe der Schleimkrabben dieses dicken Magiers Vermis eine Art Schleimtunnel unter dem Tangfeld errichtet hatten, durch den sie dann in den Bauch des Schiffes kriechen konnten. Ich wusste es ja immer, heldenhafte Taten stehen Beorn nicht gut, dafür aber das Kriechen durch Schleim und Unrat, das Wohl!“ Phileasson schaut sich nach seinen letzten Worten in der Halla um und scheint dann erleichtert festzustellen, dass Thorn Beornson noch immer nicht in die Große Halla des Prunkjolskrims zurückgekehrt ist. Er seufzt und spricht dann in Richtung Mandred gewandt weiter: „Hm, Mandred, streich' die letzte Bemerkung über Beorn, da ist wieder der alte Hass mit mir durchgegangen. Über Tote sollte man wahrlich nicht so sprechen, bei Firun!
Nun jedenfalls, im Bauch des Schiffes kam es dann zum großen Kampf! Wir wollten den Kelch, Vespertilio sowie Vermis ebenso und auch Beorn und seine falsche Geweihte wollten ihn. Tja und dieser Spinnendämon, der wollte ihn nicht hergeben! Es ging drunter und drüber und wir zerhackten dabei zahlreiche Spinnentiere, das kann ich dir sagen! Am Ende konnte Vespertilio – schwer verwundet! – mit einer seiner Lederschwingen entkommen, während Vermis weniger Glück hatte: Wulf hatte ihm Selflanatil in den fetten Wanst gerammt! Der widerliche Spinnendämon Mactans war ebenfalls besiegt, Roban hatte sich trotz seiner zahlreichen Verletzungen den Seeschlangenzahn geschnappt und diesen dem Viech tief in den Kopf gerammt, das Wohl! Ja, dieser Nostrier hat wirklich Mut für Drei, fürwahr! Leider wird der Tapfere nicht immer belohnt, denn während wir uns heldenhaft gegen Schwarzmagier und Spinnengezücht zur Wehr setzten konnte sich die falsche Geweihte den Largala'hen mit finsterer Magie an sich reißen! Während sich also das feige Pack mit dem Kelch in den Händen absetzte, brachen um uns herum die Niederhöllen los! Das Tangfeld – wohl nur durch die dämonische Macht des Mactans zusammengehalten – begann sich aufzulösen, das Schiff brach auseinander und am Himmel über uns braute sich ein gewaltiger Sturm zusammen. Die Runjas hatten unsere Schicksalsfäden dünn gewoben, doch die Fäden hielten. Wir fanden im Wrack der Zedrakke ‚Glückshort‘ – welch passender Name, bei Swafnir! – Zuflucht und überstanden dort den Zusammenbruch des Tangfelds und den mächtigen Sturm über uns größtenteils unbeschadet. Bereits am nächsten Tag hatte sich der Sturm wieder gelegt und wir trieben zwischen zahlreichen Holzplanken und Seetanginseln auf den kläglichen Resten der Zedrakke auf das offene Meer hinaus. Von Beorn und der Schwarzelfe fehlte natürlich jede Spur. Shirandra hatte zu unserem großen Glück den Signalpfeil nicht verloren und so standen wir bereits am Abend wieder an Bord der ‚Tiger von Tuzak‘.
Zum ersten Mal hatten wir eine Aufgabe nicht erfüllen können, schlimmer noch, wir hatten gegen Beorn und seine finsteren Verbündeten den Kürzeren gezogen. Das war kein schönes Gefühl, das kann ich dir sagen! Immerhin hatte Shaya noch am selben Tag eine Vision, so dass wir wenigstens wieder ein Ziel vor Augen hatten: Wir wurden im Praios-Tempel zu Khunchom erwartet. Bevor ich dir aber von Khunchom erzähle muss ich zuvor meine Kehle ölen, bei Swafnir! Jorgen, bring Premer Feuer her, denn draußen ist es eisig und ein warmer Schnaps im Magen hilft da immer!“
Nur wenige Minuten später bringt der braunhaarige Diener einige große Tonkrüge mit dem berühmten Premer Feuer in die Große Halla. Die anwesenden Nordmänner schenken sich reichlich ein und stoßen mit einem lauten „Das Wohl!“ ihre Trinkhörner klirrend zusammen. Schon breitet sich im Magen der Männer ein wohlig warmes Gefühl aus, welches den beißend kalten Rondrikan über dem winterlichen Thorwal vergessen lässt.